10.01.2024

Reisebericht | New Brunswick und Labrador

Reise durch Ostkanada's New Brunswick und Labrador von Cornelia Lehmann und Simon Uhlmann

 

Auf der Durchreise von Quebec nach Nova Scotia besuchen wir, bedingt durch seine geografische Lage, New Brunswick. Es sollen wenige Übernachtungen in dieser Provinz werden, hat ja nicht so viel zu bieten, wie wir es z.B. für unsere Weiterreise nach PEI erwarteten… Doch, wie so oft auf Reisen, kommt es manchmal anders. In unserem Fall bedingt durch eine Wetterwarnung: Hurrican Lee kündigt seinen Landfall an der Ostküste von Nova Scotia an, er soll heftige Winde und Starkregen durch die Bay of Fundy bringen. Für uns bedeutet das: vorläufige „Flucht“ ins Landesinnere. Und da wir halt in New Brunswick sind, fällt die Entscheidung rasch.

Der Zufall trägt uns also nach Fredericton, in die Hauptstadt von New Brunswick. Da die Campgrounds wegen der Sturmwarnung geschlossen sind, verbringen wir die Nacht auf dem Parkplatz von Walmart. Keine schöne, aber eine sichere Alternative; jedenfalls vor allenfalls umstürzenden Bäumen werden wir sicher sein. Wir erfahren, dass an diesem Wochenende das Harvest Music Festival stattfindet, sich internationale Künstler hier einfinden. Da der Vorabend vor dem Sturm noch herrlich sonnig und warm ist, geniessen wir Strassenmusik und verpflegen uns an einem der Foodtrucks.

Nachdem der unterdessen abgeschwächte Sturm unser Wohnmobil sowie den Luftdruck (dieser fiel von 1019 auf 980hpa!) während gut 24h durchgeschüttelt hatte, verliessen wir Fredericton nordwärts. Die Küstenregion wurde härter getroffen, da braucht’s unseres Erachtens anstelle von Touristen vorerst mal Helfer.
So lernten wir, dass in New Brunswick ein Grossteil der kanadischen Kartoffeln heranwächst. Funfact: eingebettet in die Kartoffeläcker liegt die grösste Fabrik der auch uns bekannten Marke „McCain“. Etwas später parken wir vor der längsten gedeckten Holzbrücke der Welt; 1901 eröffnet und immerhin so bekannt, dass 1988 die olympische Fackel über die Brücke getragen wurde und sie 1995 eine Marke der kanadischen Post zierte. Sie steht in Hartland.

Die Strassen im Süden sind wieder offen, wir fahren deshalb zurück an die Küste. In St. Stephen, nahe der Grenze zum US Bundesstaat Maine, wurde 1873 die heute älteste Schokoladenmanufaktur Gagnon gegründet. Als Schweizer ist der Besuch ein Muss, wir wollten die angeblich besten Pralinen der Welt probieren. Haben wir auch – und dabei festgestellt, dass diese (zumindest für unsere Geschmacksnerven) eben doch aus der Schweiz kommen… :)

Saint Andrews wurde laut USA Today zur schönsten Stadt Kanadas gewählt. Völlig zu Recht, wie wir vor Ort selber feststellen können. Ein hübsches Städtchen, sehr schön erhaltene Häuser, direkt am Meer mit seinen mehrere Metern betragenden Gezeitendifferenz, für welche die ganze Bay of Fundy bekannt ist.

Als weiterer Halt lohnt sich Saint John (ohne «s», also bitte nicht verwechseln mit St. John’s, der Hauptstadt von Newfoundland). Als ehemalige französische Kolonie wurde der Ort später zu Kanadas erster offizieller Stadt. Im Hafenbereich sind zurzeit umfangreiche Bauarbeiten im Gange, weshalb in den nächsten Jahren eine ansprechende Container Village zum Besuch einlädt. Krasser Gegensatz dazu und Sprung in der Zeit: der Old City Market von 1876.

Östlich des Fundy Nationalparks liegt der Hopewell Rock Provincial Park. Nirgendwo ist die Differenz zwischen Ebbe und Flut so ausgeprägt, wie hier. Durchschnittlich 11m steigt und fällt der Meeresspiegel hier zweimal täglich. Der Besucher kann sich während gewissen Zeiten zu Fuss oder im Kayak zwischen den Felsen bewegen.


Dank des Sturms «Lee» waren wir also zu einem ungeplanten Umweg durch New Brunswick gezwungen
und durften so eine etwas versteckte Perle in Ostkanada kennen- und geniessen lernen.... Es lohnt sich also auch ein geplanter Aufenthalt!

Trans-Labrador-Highway

Offiziell ist mit «Trans-Labrador-Highway» die Strecke in der Provinz «Newfoundland and Labrador», die von L’Anse au Clair bis Labrador City (oder natürlich in umgekehrter Richtung) verläuft, gemeint, welche 1'119 km umfasst (rechnete man einen Abstecher nach Cartwright hinzu, resultierten 1'149 km).

Aus persönlicher Optik sagt uns eine weiter gefasste Auslegung des Begriffs besser zu; «gefühlt» ist der Fokus dabei auf den Strassenverlauf zu legen und wir verstehen diesen Begriff infolgedessen «provinzunabhängig»; der Start liegt im Örtchen Vieux-Fort (Old Fort Bay), der Highway verläuft in der Folge (der Name ist Programm) quer durch Labrador und endet in Baie Comeau, einem Ort, der in der Provinz Québec liegt. Insgesamt beläuft sich diese Strecke, welche lokal auch als «The great northern Loop, Expedition 51°» beziehungsweise
«Circuit Grand Nord, expédition 51°» bezeichnet wird, auf 1'778 km.

Am 27.07.2023 bringt uns eine Fähre zum Hafen des Örtchens Blanc Sablon, welches in der Provinz Québec, unmittelbar an der Provinzgrenze zu Labrador, liegt. Kurz bevor wir anlegen, umgibt uns dichter Nebel. Da wir die vollständige Strecke des «Great northern Loop» erkunden möchten, fahren wir zuerst westwärts, nach Vieux-Fort (Old Fort Bay), wo die Strasse schlicht und einfach, ohne vorherige Ankündigung und ohne, dass ein Schild oder ähnliches dies ankündigte, endet. Daraufhin wenden wir uns ostwärts und gelangen über St. Paul’s River wieder nach Blanc Sablon, wo wir uns auf dem Sentier Wanda Beaudoin, der direkt am Meer entlangführt, umgeben von herrlicher Landschaft, die Beine vertreten.

Unmittelbar danach überfahren wir die Provinzgrenze zu Labrador und besuchen in L’Anse Amour den Phare de Point Amour, der 133 Meter hoch und 1857 fertiggestellt worden ist.

In Red Bay widmen wir uns zunächst dem Boney Shore Trail, der quasi parallel zum Strand verläuft. Danach begeben wir uns auf eine kleine - zirka drei Kilometer lange - Wanderung auf den Tracey Hill, auf welchen ein Holzsteg mit 689 Tritten führt. Eine wunderbare Aussicht lockt als Belohnung.

Über Mary’s Harbour gelangen wir nach Port Hope Simpson, wo «die letzte Tankstelle» steht; danach folgen 410 Kilometer «kanadische Wildnis» bis nach Happy Valley - Goose Bay; ohne Siedlungen, Tankstellen, Verpflegungsmöglichkeiten und ohne Mobiltelefonempfang. Da wir die Abgeschiedenheit geniessen, unser Camper mit einer Tankfüllung locker 650 bis 700 Kilometer bewältigt, wir den Kühlschrank vorgängig mit vielen leckeren Lebensmitteln gefüllt haben und wir ohnehin ohne Mobiltelefonempfang unterwegs sind (bis auf jenen, welchen wir jeweils auf Campgrounds ergattern), nehmen wir auch diesen Teil der Reise entspannt unter die Räder. Strassenschilder weisen indes auf die besonderen Gegebenheiten hin.

Daher und da der Labradorhighway – damit ist hier jener Teil, der in der Provinz Newfoundland and Labrador verläuft, gemeint – seit 2021 durchgängig geteert ist (erst in der Provinz Québec befinden sich zwei Dirtroad-Streckenabschnitte), gestaltet sich die Fahrt friktionslos. Die Landschaft und die Weite auf diese Weise zu erleben, empfinden wir als Privileg und als sehr bereichernd.

In Happy Valley-Goose Bay können wir den fix eingebauten Propane-Tank des Campers auffüllen lassen. Hier übernachten wir im Gosling Park, einem ehemaligen Campground an einem See, welcher aktuell zur freien Benutzung zur Verfügung steht.

Auf unserer Weiterfahrt gelangen wir in der Folge nach Churchill Falls. Dort ist zum aktuellen Zeitpunkt bloss ein Rinnsal des ursprünglichen Wasserfalls zu sehen; der Grossteil der Wassermassen wird zur Gewinnung von Elektrizität genutzt und unterhalb wieder zurück in den Fluss geführt.

In Labrador City besuchen wir unter anderem das Gateway Labrador Visitor Information Centre und erhalten alle notwendigen Informationen, inklusive eines Stadtplans, auf welchem eine junge, engagierte Mitarbeiterin des Centres manuell die wichtigsten Plätze eingezeichnet hat. Auf die Frage, ob wir dieses personalisierte Exemplar eines Plans effektiv mitnehmen dürfen, erwidert sie lächelnd "Ja, klar. Ich habe noch ganz viele solcher Pläne vorbereitet". Die hauseigenen Campsites des Centres sind zwar noch nicht ganz fertiggestellt, doch wir können gleichwohl dort, unmittelbar neben dem Gebäude des Visitor Centres, übernachten.

Kurz nach Labrador City und Wabush verlassen wir die Provinz Newfoundland and Labrador und gelangen nach Québec. Der Wechsel von englischer zu französischer Sprache ist hier gut spürbar; notabene sind Ortsnamen nun zuerst in französischer und danach in englischer Sprache angeschrieben.

In Fermont steht beim Visitor Centre der Camion Nr. 172. Im Jahr 2005 hatte die Eigentümerfirma damit einen Weltrekord erzielt. Es handelt sich dabei um einen Caterpillar, Modell 789, mit einer Kapazität von 190 Tonnen, der seit dem 07.02.1988 im Mont-Wright-Tagebau im Einsatz gestanden war und mit 105'630 Arbeitsstunden den Rekord an Maschinenstunden sämtlicher Lastwagen seiner Kategorie gebrochen hat, bevor er am 11.10.2005 «in Rente» geschickt worden ist.
Nach Mont-Wright erwartet uns der erste Abschnitt Dirtroad, der sich über 67 km erstreckt. Aufgrund der Abgeschiedenheit und Einsamkeit sind hier, damit notwendigenfalls Hilfe angefordert werden kann, sporadisch SOS-Notruf-Säulen installiert worden, die in der Wildnis seltsam entrückt anmuten.

Neben diesem kreisrunden See, dem Lac Manicouagan, welcher einen Radius von zirka 75 km aufweist, übernachten wir in der Nähe der Station Uapishka. Im Visitor Centre erfahren wir, dass die runde Form des Sees auf eine natürliche Ursache zurückzuführen ist. Zunächst waren für das menschliche Auge bloss ein linker sowie ein rechter Flusslauf wahrnehmbar; erst mit dem Bau des Staudamms und Stauen des Wassers hat man (nach sechs Jahren) bemerkt, dass es sich um einen kompletten Ring handelt. Erstinstanzlich ging man davon aus, dass es sich um den Kraterrand eines Vulkans handelte, bis sich schlussendlich herausgestellt hat, dass ein Meteoriten-Einschlag vor zirka 210 Millionen Jahren der Grund für die kreisrunde Form ist. Vorausgesetzt, dass die Informationen, welche wir vor Ort erhalten haben, wirklich stimmen, handelt es sich dabei um den fünftgrössten Meteoritenkrater der Welt.

Am nächsten Tag empfängt uns Dauerregen, was die Fahrt auf dem zweiten Abschnitt Dirtroad über 100 km anspruchsvoll gestaltet, da unser Camper gelegentlich spult und «slided».

Bei Manic-5 endet die Dirtroad und das Resultat der zurückgelegten Strecke ist am Camperheck in eindrucksvoller Weise sichtbar. Hier ist eine mächtige Mehrbogen-Staumauer gebaut worden, deren Breite 1.3 Kilometer und Höhe 214 Meter beträgt. Der entsprechende Impact auf Fauna, Flora und die ortsansässigen Menschen ist zweifellos immens und aus ökologischer Optik nicht über Zweifel erhaben; mit dem Fokus darauf, was menschliche Fähigkeiten auf die Beine zu stellen vermögen, beeindruckt das Bauwerk dennoch.

Von dort langen wir nach 218 Kilometern schlussendlich in Baie Comeau, einem Ort mit 22'000 Einwohnern, an; hier hat uns die Zivilisation definitiv und auf einen Schlag wieder. Wir installieren uns auf dem Camping Boréal und geniessen dessen Annehmlichkeiten, beispielsweise eine warme Dusche.