31.01.2020

Reisebericht | Zugfahrt von Anchorage nach Fairbanks

Reisebericht über die Zugfahrt mit der Alaskan Railroad von Anchorage bis nach Fairbanks.


Seit fast 25 Jahren bin ich nun als Reiseveranstalter auf Alaska spezialisiert und habe es in all dieser Zeit nie geschafft, mit dem Zug von Anchorage nach Fairbanks oder umgekehrt zu fahren. Weil ich einerseits praktisch immer mit einem SUV oder einen Truck Camper unterwegs bin oder dann als Reiseleiter jeweils meine Gäste auf den Zug gebracht habe, um parallel mit dem Gruppenfahrzeug die Strecke zurückzulegen. Insofern erfülle ich mir heute einen langersehnten Wunsch, endlich einmal und ganz ohne Begleitung mit dem Zug die ca. 600 Kilometer lange Strecke in 12 Stunden zurückzulegen. Ich gönne mir die beste Klasse, die sogenannte Gold Star Class, welche in etwa mit dem Glacier Express in der Schweiz verglichen werden kann.

Um 08.15 geht es los und praktisch jedes Hotel bietet einen Shuttle Service zum Bahnhof an. Bereits eine Stunde früher muss das Check In erfolgen, wie auf einer Kreuzfahrt oder bei einem Flug wird zuerst das grosse Gepäck abgegeben, welches die Reise separat zurücklegt und erst in Fairbanks wieder ausgehändigt wird. Zudem ist eine eigentliche Passkontrolle vorgesehen und der sogenannte Voucher muss am Schalter in ein Ticket umgetauscht werden. In der Gold Star Class sind alle Sitzplätze vorreserviert und befinden sich in einem sogenannten Domwagen im 2. Stock. Das Dach besteht aus einem Glasbogen, so dass auch vom Sitzplatz aus jederzeit eine tolle Sicht auf beide Seiten der Bahnstrecke möglich ist. Zusätzlich ist in jedem Wagen eine Aussenplattform vorhanden, welche frische Luft garantiert und sich ideal fürs Fotografieren eignet. Der Zug ist nicht immer gleich schnell unterwegs, es besteht aber sehr gut die Möglichkeit, um auf beiden Seiten zu fotografieren oder zu filmen. Ebenfalls inbegriffen sind 3 Mahlzeiten, welche im unteren Stock im dazu gehörenden Restaurant serviert werden sowie sämtliche Getränke inkl. 2 alkoholischer Getränke. Aus meiner Sicht kann ich schon nur deshalb die Buchung dieser Klasse empfehlen.

Die erste Strecke aus Anchorage hinaus in nördlicher Richtung ist spannender als ich erwartet habe. So fahren wir z.B. an einem Militärstützpunkt vorbei, welcher ansonsten mit dem Auto nicht erreichbar ist. Bereits vor Palmer am Ende des Cook Inlet gibt es auch landschaftlich bereits viel zu bestaunen, mein erster Eindruck ist auf jeden Fall sehr positiv. Kurz vor Talkeetna traue ich dann meinen Augen nicht: Links und rechts des Bahngeleises nur noch verbrannte Erde, verbrannte Bäume und leider auch abgebrannte Häuser und Autos. Vor weniger als 2 Wochen fiel bei einem Sturm ein Baum auf eine Strommastleitung und verursachte einen Waldbrand, welcher sich wegen dem starken Wind innert kürzester Zeit in Windeseile ausbreitete und direkt der Strasse und dem Bahngeleise entlang grosse Schäden verursachte. So brannten innert weniger Stunden 80 Häuser ab und alle Bewohner verloren so ihr Hab und Gut. Zum Glück kommt dies sehr selten vor, es hat mir aber einmal mehr die Augen geöffnet, dass speziell in Alaska die Natur noch immer das Sagen hat. Nach einem kurzen Stopover in Talkeetna mit spektakulärem Blick auf den Mt. Denali war Natur pur angesagt. Auf der anschliessenden Strecke verkehrt mehrmals wöchentlich der Hurricane Train, einer der weltweit letzten Züge welcher sogenannte Flagstops macht, also Halt auf Verlangen. Auf diese Weise haben die Menschen, welche irgendwo in der Wildnis in einem Cabin wohnen welches nicht mehr per Strasse erreichbar ist, die Möglichkeit mindestens schon einmal in das nächste Dorf zu gelangen um z.B. Einkäufe zu tätigen. Dieser Zug kann übrigens auch von Talkeetna aus von Touristen als Tagesausflug gebucht werden und ist meiner Meinung nach ein Geheimtipp!

Ich habe wirklich das grosse Glück, einen sonnigen und wunderbaren Herbsttag erwischt zu haben. Die Landschaft verändert sich stetig, der Zug steigt sanft in Richtung Denali Park an und entsprechend verändert sich auch die Landschaft. Zunehmend erscheinen links und rechts die ersten Berghänge, die Bäume werden kleiner und immer wie mehr verändert sich die Umgebung in eine Tundralandschaft, welche anfangs September im Indian Summer in voller Farbenpracht leuchtet.

 


Nun ziehen doch noch Wolken auf, welche in der Umgebung des Nationalparks die Sicht auf die umliegenden Berge etwas einschränken. Das Wetter ist aber immer noch sehr gut und kaum haben wir den Eingang zum Denali N.P. nach einem halbstündigen Stopp verlassen, scheint auch wieder die Sonne am blauen und wolkenlosen Himmel. Wir sind bereit in den Abendstunden und ich kann mir gar nicht vorstellen, bereits 10 Stunden mit diesem Zug unterwegs zu sein. Es ist mir noch keine Minute langweilig geworden, aber wahrscheinlich bin ich einfach sehr an Alaska und der Natur interessiert. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass die Hälfte der Fahrgäste meist mit ihrem Smartphone beschäftigt war oder die Strecke schlafenderweise zum grössten Teil verpasst hat.
 

Kurz nach Sonnenuntergang erreichen wir Fairbanks und ich bin mit dem Tag mehr als nur zufrieden. Oft passt halt einfach eine Zugsfahrt nicht in einen Reiseablaufplan. Sollte sich jedoch eine Zugsfahrt problemlos einplanen lassen, kann ich diese nur empfehlen. Als Alternative käme allenfalls auch eine kürzere Fahrt, z.B. nach Seward in Frage.

Während ich normalerweise mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs bin, ist mein Plan auf dieser Reise, Fairbanks und die Umgebung von einer neuen Seite kennenzulernen, respektive nach doch bereits einigen Jahren wieder einmal mehr Zeit mit organisierten Ausflügen zu verbringen. Grundsätzlich reicht es ja in Alaska, ein Motorhome oder einen Truck Camper zu mieten und ohne grosse Vorreservationen spontan zu reisen. Ich bin nun aber gespannt was mir Fairbanks zu bieten hat, mein Schwergewicht in den nächsten Tagen wird auf der Beobachtung von Nordlichtern liegen.

 

Text und Bilder von Hans-Peter Riesen